Hypnosetherapeuten lösen Probleme mithilfe des Unterbewusstseins auf

»Gefühle lassen sich nicht denken«
 

Um sich mit dem Unterbewusstsein zu verbinden, muss man nach ganz oben - zumindest wenn der Weg dahin über Jürgen Grahmanns ››Hypnoseraum« führt, der sich im Dachgeschoss eines Hauses im Stadtzentrum befindet. Was etwas esoterisch klingt, entpuppt sich als sehr helles, asketisch möbliertes Zimmer. Einzig der Sessel, auf dem die Klienten Platz nehmen, wirkt mit den darübergelegten Decken so kuschelig wie der in der heimischen Stube. Iürgen Grahmann, Hypnosecoach und -therapeut, kennt natürlich die Vorstellungen, die sich viele Menschen aufgrund von Bühnenshows von seinem Beruf machen. Und er weiß um die Angst vor Kontrollverlust, mit der auch seine Klienten anfangs zu ihm kommen. »Bei rationalen Menschen dauert es länger, bis diese bereit sind, die Kontrolle abzugeben«, sagt er.

Doch Angst vor der Trance muss niemand haben, denn gemessen auf einer Skala von eins (lesen in einem spannenden Buch) bis zehn (schlafen) führt Grahmann seine Klienten nur bis zu Stufe drei oder vier. Der Körper ist entspannt, der Geist wach, das Unterbewusstsein kann Antworten liefern auf die Fragen, die sich der Klient stellt. »Das Unterbewusstsein ist eine Datenbank für alles - die Frage ist, wie man den Zugang dazu erhält«, so Grahmann. Seine Klienten suchen ihn aus ganz unterschiedlichen Gründen auf. Einige wollen abnehmen oder mit dem Rauchen aufhören, andere quälen Ängste, Depressionen oder Zwänge.

Den unterschiedlichen Problemlagen begegnet der 56-Jährige mit verschiedenen Methoden, darunter welche aus der Verhaltenstherapie oder dem Familienstellen. Die Basis seiner Arbeit ist  jedoch die klientenzentrierte Gesprachstlıerapie nach Carl Rogers, nach der der Klient der Maßstab der Therapie ist und zugleich auch der Experte für sich selbst.

Zu Beginn einer Behandlung nimmt Grahmann die Anamnese vor, fragt persönliche Daten und Biografisches, Krankheiten, Medikamente und Süchte ab - Letztere sind ein Ausschlusskriterium. Beim zweiten Termin wird das Thema des Klienten besprochen und ein imaginierter »sicherer Ort« gefunden, an den der Klient zurückkehren kann, wenn er während der Hypnose Angst bekommen sollte. Mithilfe des Trancezustands geht Grahmann mit seinen Klienten direkt zum Auslöser seines Problems zurück; das kann beispielsweise die erste Zigarette sein. Der Klient schlägt dann selbst eine Alternative zu seinem bisherigen Verhalten vor ( zu rauchen), diese kann dann durch einen Druckpunkt am Handballen gegenständlich verankert werden. Bei Ängsten und Depressionen ist die Vorgehensweise anders, denn für diese gibt es oft mehrere Ursachen. 

Um ein Problem zu bearbeiten, benötigt es mehrere Behandlungsstunden, doch wenn ein Thema in der Trance untersucht wurde, ist es aufgelöst und bleibt es auch, so der Therapeut. Doch woher weiß das Unterbewusstsein eigentlich das Richtige? Jürgen Grahmann lacht und erwidert: ››Wer stellt jetzt diese Frage? Die Ratio!« Er fährt fort: ››Es ist ein Trugschluss zu meinen, dass man alles durchdenken kann. Gefühle lassen sich nicht denken. In der Trance  erlebt man authentische Gefühle, die sind nur  erlebbar und lassen sich nicht rationionalisieren.

ANDREA KATHRIN KRAUS 

Kreuzer-Leipzig,  Ausgabe November 2017